Der Geist der Bäume (Venus-Interview)

Fred Hageneder

Der Geist der Bäume

Interview mit Fred Hageneder in VENUS – Magazin für Gesundheit und Astrologie, April 2002

 

Fred Hageneder

VENUS: Wie begann Ihre Beziehung zu den Bäumen?

Fred Hageneder: Das ist eine persönliche Geschichte. Als Teenager fühlte ich mich eines Tages am Ende meiner Lebenslust und bin ins Moor. Ich wollte ganz allein sein, habe mich an eine Birke gesetzt und da Erneuerung erfahren. Das hatte mit dem Bäumen um mich herum zu tun. Seitdem habe ich meine Liebe zur Natur entdeckt und ganz besonders meine Anteilnahme an dem Wohlbefinden der Bäume – denen es oft nicht so gut geht, weil sie in unserer Kultur nicht anerkannt werden.

VENUS: Wie haben Sie die Kraft des Baumes gespürt, die auf Sie übergegangen ist?

Fred Hageneder: Schwer zu sagen. Die Bäume haben sich im Wind bewegt. Ich wurde sanft gewiegt. Und damit ging eine Beruhigung einher und ich spürte, dass da ein Kraftfeld war, ein fast geistig-seelisches, von dem ich ein Teil wurde. Es war einfach sehr friedvoll, indem ich meine kleinen, persönlichen Probleme plötzlich in einem neuen Licht sah, in einem größeren Ganzen. Damals war ich 14 und so begann mein Weg mit den Bäumen. Interessanterweise war der Baum eine Birke, die oft als Baum des Anfangs bezeichnet wird. Die Birke ist gut für Neuanfänge, sie beschützt alles junge Leben. Deswegen wurden im Altertum Kinderkrippen aus Birkenholz geschnitzt und es gibt den Brauch, dass Birkenreisig für Besen verwendet wurde. Damit wurde zeremoniell an Neujahr das alte Jahr und damit die alten Energien aus dem Haus gefegt.

VENUS: Wie kann man den Baum als Kraftspender aufsuchen, sind es doch gerade die alten und weisen Bäume, die als Kraftspender gelten?

Fred Hageneder: Gerade die alten Bäume in England waren ein Faktor, warum ich nach England zog. Ich habe am Anfang meiner Baumarbeit auch gefunden, dass sicherlich alte, imposante Bäume ein viel stärkeres Kraftfeld haben, schon allein wegen ihrer Größe. Das sind elektromagnetische Tatsachen, wir reden hier gar nicht von Romantik. Das Kraftfeld hilft uns also beim Einschwingen. Im Baum gibt es jedoch auch einen Ewigkeitscharakter, der sich dann in Raum und Zeit manifestiert. Man kann vordringen und Kontakt aufnehmen zu diesem Urgeist, diesem Engel. Und der ist natürlich in jedem Baum. Durch diese Ebene kann man sich selbst mit einem Eichensämling im Topf genauso gut einschwingen wie mit einem 1.000jährigen Baum. Aber dennoch: Bäume, die wirklich alt werden, entwickeln eine Art Persönlichkeit, die sich ganz langsam entwickelt hat und dadurch hat der Baum eine ganz andere Stärke als jeder junge Baum. Solche Bäume bräuchte es in unseren modernen jungen Wäldern als weise Älteste.

VENUS: Meditieren Sie oft unter den Bäumen oder wandern Sie durch den Wald und lassen die Bäume auf sich wirken?

Fred Hageneder: Ja, wobei das Gehen an sich schon eine Meditation ist. Generell empfehle ich, erst mal eine ganze Weile zu gehen oder zu laufen und körperliche Übungen zu machen. Einfach um Spannung abzubauen und natürlich sollte man auch etwas Zeit mitbringen. Fühlt man sich ruhiger, ist es schön, sich einen Platz zu suchen, an dem man für eine Weile sein und den Platz in seinen sanften Regungen und Bewegungen beobachten kann. Das kann eine Viertelstunde sein oder eine ganze Nacht, wenn man sieht, wie das Mondlicht und das Licht- und Schattenspiel auf dem Waldboden sich ändern. Manchmal findet man wirklich eindrucksvolle Bäume, bei denen man spürt, dass man dort hin möchte, aber man kann auch vorher fragen. Das ist eine interessante Sache: Selbst wenn man noch nicht wirklich in Kommunikation mit Bäumen steht, hat diese Frage eine ganz besondere Wirkung auf uns selbst. Indem wir nämlich fragen "Ist es okay, dass ich mich jetzt dir nähere, dass ich in deine Aura eintrete, um an deinem Stamm für eine Weile zu sitzen?", werden wir zu einem anderen Wesen, einem Wesen, das gelernt hat, auf Andere Rücksicht zu nehmen. Tatsache ist: Wir kennen diesen Baum nicht. Wir denken, da steht eine Säule aus Holz mit Blättern oben drumherum und behandeln ihn wie einen Laternenpfahl. Aber er versteckt doch mehr! Die Erde lässt doch nicht einfach Holz hochwachsen aus sich heraus und tut da viele kleine Pflanzen drauf. Was ist das Geheimnis dieses Wesens "Baum"? Fragen können uns weiterführen, weil wir heutzutage denken, wir haben alle Antworten. Aber wir wissen nichts!

VENUS: Bekommen Sie Antworten?

Fred Hageneder: Nicht unbedingt im intellektuellen Sinne, aber das will ich auch gar nicht. Aber ich löse meinen intellektuellen Käfig auf. Es ist eine Art Meditation, mit der man spielen kann und die Male, wo ich wirklich Zwiegespräche mit dem Wesen eines Baumes hatte, dieser Zustand in mir ist so jenseits des normalen Denkens, dass es diese Trennung zwischen mir und dem Baum gar nicht mehr gibt. D.h. ich bin nicht mehr die Person, die vorrangig an meinem Schicksal, Lebensweg und Tagesplan interessiert ist, sondern ich vereine mich mit einem größerem Ganzen, einem Bewusstsein, das sowohl den Menschen als auch den Baum neutral sieht. Auf dieser Ebene des Bewusstseins gibt es ein unglaubliches Glücksgefühl, das die Bestrebungen all der Jahre allemal wett macht, zu versuchen, da hinzukommen. In diesem Zustand kann man, eben weil man neutral ist, aber voller Liebe, einsehen, was Wald und Mensch brauchen.

VENUS: Was ist bei der Meditation zu beachten?

Fred Hageneder: Wie gesagt, sich mit Respekt dem Baum zu nähern, den Geist zu leeren und zu sehen, was kommt. Und nicht zuletzt: immer Humor haben, sich nicht zu ernst nehmen.

VENUS: Sprechen Sie mit den Bäumen?

Fred Hageneder: Ja, es gibt solche Gespräche, aber die würden sich nicht wie ein Interview lesen lassen, weil sie nicht unbedingt intellektuell sind. Da sieht man mit dem Herzen. Ich habe immer den Eindruck, dass die Bäume unter sich einig sind, dass die Erde in einer Krise ist, und mit ihr das Fortleben der ganzen Biosphäre. In dieser globalen Krise ist es eben wichtig, dass sich immer mehr Menschen einstimmen und für ein größeres Ganzes wirken und nicht nur für ihre eigenen Karriere. Das erfahre ich als sehr bedeutungsvoll und wohltuend. Ich denke, das sind wichtige, geistige Impulse, die wir jetzt in die Natur tragen können, sodass die höheren Wesenheiten in der Natur sehen, dass bei den Menschen die Bereitschaft zur Änderung wächst. Das halte ich für ganz wichtig.

VENUS: Setzen Sie sich selbst für den Naturschutz ein?

Fred Hageneder: Jetzt wieder. Ich habe mich einige Jahre sehr zurückgezogen von allen menschlichen Bestrebungen, eben in den Jahren, wo ich mein Buch vorbereitet und recherchiert habe. Ich musste mich einfach zurückziehen und habe viele private Aktivitäten zurückgesteckt. Und jetzt, wo alles unter Dach und Fach ist, d.h., ich "Produkte" in der Hand habe, die meine Botschaft vermitteln können, fange ich verstärkt an, wieder rauszugehen und Kontakt aufzunehmen zu allen möglichen Gruppen, sowohl was den Umweltschutz angeht als auch gewisse Projekte, wie z.B. "Bäume des Friedens". Ich möchte in England, Frankreich und Deutschland alle Städte und Partnerstädte ansprechen, dass sie "Bäume des Friedens" als Zeichen gegen die Apartheit, die aus Staaten kommt, diesen Anti-Islamismus usw., pflanzen. Ich sehe das als eine gute Möglichkeit, denn Bäume waren für die Menschen schon immer Symbole des Friedens. Da ich soviel Material gesammelt habe, wie hoch angesehen Bäume in den alten Kulturen waren, habe ich genügend Argumente, um zu sagen, dass aus jeder Gemeinde, die so einen Friedensbaum pflanzt, ein örtlicher Vertreter jeder religiöser Richtung kommen sollte, der an der Pflanzzeremonie teilnimmt. D.h., ich will vorschlagen, dass der Bürgermeister da ist und seine Gemeinde anspricht und dann kommt der jüdische Rabbi und der evangelische oder katholische Pfarrer und es kommt ein Moslem und auch Vertreter der Umweltgruppen. Und jeder wirft seine Handvoll Erde in das Loch. Außerdem bereite ich mit meinem deutschen Verleger das Projekt Heiliger Hain vor. Es soll eine Stiftung gegründet werden, um den ersten "offiziellen" heiligen Hain der Neuzeit auf dem europäischen Kontinent zu pflanzen und zu schützen. Über dieses Projekt freue ich mich ganz besonders.

VENUS: Wie sieht die Zukunft der Bäume aus und was könnte besser gemacht werden?

Fred Hageneder: Ich hab mich immer dafür eingesetzt, dass es Waldstücke geben soll, aber auch andere Biotope, wo die Natur sich selbst überlassen wird. D.h. natürlich, dass so ein Wald für die ersten Jahrhunderte sehr "unordentlich" aussehen wird aus unserer Sicht. Wir müssen zurückstecken, das ist kein schöner Parkwald. Aber darum geht es eben, dass wir Demut lernen und zurückstecken und anderen Lebensformen auch etwas gönnen. Natürlich werden wir auch weiterhin Nutzwälder brauchen. Aber auch unter den Förstern hat ein Umdenken begonnen und hier in England habe ich ein gutes Feedback aus Försterkreisen auf meine Arbeit bekommen und es gibt hier auch junge Menschen unter den Förstern, die nicht so konservativ denken in Sachen Nutzwälder. Und da habe ich sehr viel Hoffnung für die Zukunft, dass sich da wirklich etwas ändert, einfach, dass sich mehr Respekt breit macht für die Lebensform des Waldes…

VENUS: Weshalb sind Sie nach England umgezogen?

Fred Hageneder: Ich mich verliebt, aber in eine menschliche Frau. Aber ich konnte ihr ja nur begegnen, weil ich wiederholt die Britischen Inseln bereiste eben wegen der alten Bäume in der Landschaft. Die Natur in Britannien ist schon etwas besonderes, das spüren viele, die nach England oder in die keltischen Länder in Urlaub fahren. Hier gibt es eine besondere Schwingung, die von der Erde ausgeht. In einigen Tälern, gerade in Wales oder Schottland, liegen noch Geheimnisse in der Luft und zwischen den Felsen… Besonders die Grafschaften, die im Westen in Meeresnähe liegen, die haben diese gewisse Wildheit noch. Das hat mich künstlerisch immer sehr inspiriert und offensichtlich auch intellektuell, im Hinblick auf das Buch, das ich geschrieben habe.

VENUS: Können die Fehler der Menschen wieder gutgemacht werden?

Fred Hageneder: Wir haben gar keine Zeit für Reue, wir müssen gut machen, was wir gut machen können. Und das besser machen, was wir besser machen können. Dabei Spaß haben und uns selbst nicht zu ernst nehmen. Die Natur hat unglaubliche Kräfte und es kann vielmehr geheilt werden als wir in unseren deprimierten Stunden denken. Vor allem gerade der Waldboden, der am lebendigsten und voller Mikroorganismen ist, die eine unglaubliche Vielzahl von technischen Störfeldern wie auch chemischen Giften neutralisieren können. Der ganze Mobilfunk mit seinen Masten brät nicht nur unsere Gehirne, sondern bringt auch die ganze Natur durcheinander. Verschiedene Lebensformen reagieren darauf mit direkter Mutation, während andere hingegen völlig unberührt bleiben, weil sie auf anderen Frequenzen funktionieren. Man sieht hier in England besonders bei Kiefern und Lärchen solche Deformationen. Sendemasten strahlen eine unglaubliche Wattmenge an elektrischer Energie aus, die erstmal in einigen hundert Metern um den Sendemasten direkt auf die Erde treffen. Es ist der Waldboden, der davon unheimlich viel absorbiert. Es gibt in der Natur noch Wunder, mit denen wir nicht rechnen. Ich würde nicht aufgeben, für das Leben zu kämpfen. Als Jugendlicher hatte ich Angst, dass uns die Bäume genommen werden und wir auf einer Erde ohne Bäume leben müssten. Inzwischen weiß ich, dass ein Leben auf der Erde ohne Bäume gar nicht möglich wäre. Die Biosphäre braucht Bäume, nicht nur, weil sie die grüne Lunge sind. Der Mensch und der Baum fallen und stehen gemeinsam – und bleiben stehen!

VENUS: Warum machen Sie Musik für Bäume?

Fred Hageneder: Zum ersten, weil es Freude macht und mir mein Herz sagt, dass es das ist, was ich tun will. Außerdem hoffe ich, dass es ein wenig dazu beiträgt, dass mehr und mehr Menschen die Verschiedenartigkeit der einzelnen Baumarten besser wahrzunehmen beginnen.

VENUS: Hat es einen bestimmten Grund, warum Sie Harfe spielen?

Fred Hageneder: Die Harfe gilt allgemein als Instrument der Seele und ist daher sehr geeignet, um Baummusik zu machen. Zudem gibt es die ganze bardische Tradition hier in Nordwest-Europa. Für die alten keltischen Barden, die mit der Harfe umherwanderten, war es die Hauptaufgabe, die alten Legenden und Mythen für das Volk lebendig zu halten. Diese Legenden haben einen spirituellen Aspekt, sie sind eine Zurückbindung an den Ursprung. Die Mythen erzählen den Ursprung der Welt und wie die Menschen eingebunden sind als Teil der Natur. Die Aufgabe der Barden lag darin, die lebendige Verbindung zwischen Mensch und Natur aufrechtzuerhalten. Letztendlich versuche ich nichts anderes als genau das: meinen Beitrag zu leisten, die Verbindung zwischen den Menschen, dem kleinen Selbst, und der Natur, dem größerem Selbst, herzustellen.

VENUS: Herr Hageneder, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Gespräch führte Raphaela Hien.

 

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